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Lateinisch an der USH

Legamus Latine 2014-1

Wann, wie und was lernt man im Lateinunterricht an der Ursulinenschule Hersel?

Lateinunterricht ist als Lernprozess über mehrere Jahre zu verstehen – an unserer Schule kann Latein von Klasse 5 bis in die Stufe Q2 belegt werden und ist auch als Abiturfach wählbar. Mit Latein kann entweder in Klasse 5 oder in Klasse 6 begonnen werden.
In den ersten ungefähr drei Jahren werden anhand von modernen, didaktisch hochwertigen Lateinlehrwerken die Grundkenntnisse der lateinischen Sprache vermittelt.

Während dieser Zeit erfahren die Schülerinnen im Lateinunterricht viel Interessantes, Spannendes und zuweilen Kurioses aus der Welt der Römer und Griechen, sie lernen deren Kultur ebenso wie deren Götter kennen und haben die Möglichkeit, die Errungenschaften der Römer bei den an unserer Schule turnusmäßig stattfindenden Exkursionen hautnah kennenzulernen und so gleichsam mitzuerleben.

Die regelmäßig durchgeführten Exkursionen führen die Lateinerinnen unserer Schule nach:

  • Rheinbrohl: Besuch der RömerWelt am Anfang des römischen Limes, Klasse 5
  • Xanten: Archäölogischer Park, Klasse 6
  • Trier, römische Monumente, Klasse 7
  • Limeskastell Saalburg, Klasse 8
  • Köln, Römisch-Germanisches Museum, Prätorium, Klasse 8.

Zusätzlich finden Projekte statt, wie z. B. das Erstellen einer Lateinzeitung, die Durchführung von punktuellen lateinischen Theaterprojekten und die Vorbereitung und Teilnahme am schulübergreifenden Wettbewerb Legamus Latine.

Nach drei Jahren der Lehrbuchphase folgt die Originaltextlektüre lateinischer Autoren, die bis in die Oberstufe reicht. Zu den behandelten Autoren zählen Caesar, Catull, Cicero, Phaedrus, Plinius, Ovid und Vergil. Anhand der Lektüre wird ein breites Themenspektrum behandelt, wie bspw. Fabeln, Geschichtsschreibung, Aspekte der Lesermanipulation durch Sprache, Liebesdichtung, Philosophie, Humanität, das Wirken der Götter bei Griechen und Römern und schließlich die Macht der Rede.
Mit Blick auf die vielen Themen und Erfahrungsmöglichkeiten, die der Lateinunterricht bietet, sagen wir also: „Sapere aude – wage es, weise zu sein“ (Horaz).

Was ist das Besondere am Lateinunterricht?

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Latein wird heute (fast) nicht mehr gesprochen. Im Unterricht muss die Sprache also nicht, wie bei den modernen Fremdsprachen, in möglichst vielen Sprechanlässen zu allen möglichen Themen umgewälzt werden. Vielmehr geht es darum, Texte aus dem Lateinischen in die Muttersprache zu übersetzen, die Texte sprachlich zu analysieren und aus ihnen die Inhalte herauszuarbeiten und diese zu interpretieren.
Latein gilt als sog. polyvalentes Fach, d.h. es ist hat viele Aufgaben-, Handlungs- und Aktivitätsfelder. All diese Dinge machen erfahrungsgemäß viel Spaß, vorausgesetzt, man bleibt aktiv bei der Sache und hat dann auch Lernerfolge vorzuweisen.
Latein verfügt überdies über den großen Vorteil, für das Fach Deutsch und das Erlernen der modernen Fremdsprachen von der ersten Lateinstunde an nutzbringend zu sein. Ausspracheschwierigkeiten bestehen im Lateinischen nicht.

Was ist Übersetzen?

Übersetzen bedeutet eine meist wörtliche Übertragung des lateinischen Textes in eine andere Sprache. Es ist ein vergleichsweise langsam fortschreitender, komplexer Prozess, bei dem lateinische Formen analysiert und miteinander in Beziehung gesetzt und kombiniert werden. Bezüglich der Übersetzungen ist anzumerken, dass es bei hierbei eher auf Qualität als auf Schnelligkeit und Quantität ankommt.
Es kommt der schrittweise zu erwerbenden und auszubauenden Genauigkeit bei der Formenbetrachtung sowie dem Formulieren und dem guten sprachlichen Ausdruck in der Muttersprache im Rahmen der Übersetzung eine tragende Bedeutung zu.
Das Übersetzen lateinischer Texte in die Muttersprache fördert anerkanntermaßen die reflektierte Auseinandersetzung mit der eigenen Sprache, weil diese als Wiedergabemedium der lateinischen Sätze und Texte dient.

Stärkung der Analysekompetenz deutscher und fremdsprachlicher Texte durch Latein

Die im Lateinunterricht übliche Analyse von Satz- und Textstrukturen fördert die Problemlöse- und Kombinationskompetenz auf diesem Gebiet nachhaltig. Die sukzessive vertiefte Fähigkeit zur Bestimmung der Satzglieder und Satzarten bleibt jedoch nicht auf lateinische Texte beschränkt, sondern wird zum festen Wissensfundus der Schülerinnen, der diesen auch später die Analyse und somit das Verständnis der manchmal komplexen Struktur deutscher sowie fremdsprachlicher Texte auf jeder Niveaustufe ermöglicht.
Das detaillierte inhaltliche Analysieren lateinischer Texte begünstigt die Leistungsfähigkeit in solchen Fächern, in denen das Verstehen eines Textes den Gegenstand des Unterrichtsgesprächs darstellt, wie z. B. in Deutsch, Geschichte, Religion, Philosophie, in den Gesellschafts- und Naturwissenschaften in Gestalt der Quellen- und Lehrbuchtexte und in der Mathematik beim ‘Übersetzen’ der Textaufgaben. Die Textkompetenz wird sprachübergreifend erheblich verbessert.

Das Deuten (Interpretieren) der lateinischen Texte

Da die jeweils zu behandelnde Textmenge vergleichsweise gering ausfällt, fällt dem Inhalt des Gesagten und der verwendeten sprachlichen Formen ein hoher Stellenwert zu. Allzu schnell und vielleicht etwas oberflächlich über wichtige Aspekte hinwegzulesen, dies geschieht im Lateinunterricht aufgrund der Intensität der Sprach- und Inhaltsbetrachtung kaum.
Das Besondere am Interpretieren ist, dass die Schülerinnen mit menschlichen Erfahrungen und Lebensentwürfen aus der Antike konfrontiert werden, die zwar nicht selten ähnlich waren wie unsere eigenen und die daher unsere heutige Welt wesentlich mitgeprägt haben, die manchmal jedoch auch stärker vom Hier und Jetzt differieren und damit wichtige kontrastive Analyse- und Interpretationsansätze bieten. Die Schülerinnen werden zur kritischen Auseinandersetzung mit Aspekten aus der Antike aufgefordert und dazu animiert, eine eigene Position zu formulieren und diese sachlich begründet zu vertreten.
Die Schülerinnen erhalten – immer von der Analyse der jeweiligen Textaussage ausgehend – ein vertieftes Verständnis für historische Zusammenhänge, gesellschaftliche Systeme und religiöse Anschauung.

Erlernen von Fremdwörtern durch Ableitungen aus dem Lateinischen, der Nutzen des Lateinischen für das Erlernen von Fachsprachen, der europäischen Weltsprachen und für ein Grundverständnis der europäischen Kultur

Die Arbeit an Texten in Gestalt von Übersetzungen ins Deutsche erweitert den muttersprachlichen passiven und aktiven Wortschatz der Lateinschülerinnen erheblich.
Die Erweiterung und stilistische Elaborierung der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit unterstützen wir im Lateinunterricht der Ursulinenschule Hersel gezielt durch das Erklären und Herleiten zahlreicher Fremdwörter aus dem Lateinischen und teilweise Griechischen, die daraufhin nach und nach zum selbstverständlichen Besitz der Schülerinnen werden.

Deutsche Fremdwörter und Fachtermini anderer Wissensbereiche mit lateinisch-griechischem Ursprung sind u.a.:

  • Aspekt "Gesichtspunkt" < lat. aspectus "Blick, Gesichtspunkt"
  • konstatieren "feststellen, festhalten" < lat. constare "feststehen, bekannt sein"
  • maritim < lat. maritimus "Meer-"
  • originär "ursprünglich" < lat. origo"Ursprung"
  • postulieren "fordern" < lat. postulare "fordern"
  • primär "erstrangig" < lat. primarius "ausgezeichnet, vorzüglich"
  • profund "tief, fundiert" < lat. profundus "tief"
  • Provinz < lat. provincia
  • Radiologie < lat. radius und -(o)logie (Wissenschaft von)
  • (re)agieren < lat. re "zurück" und agere "handeln"
  • semiarid "halbtrocken" < lat. semi "halb" und aridus "trocken" (Klimazone)
  • Vehikel "Transportmittel, Fahrzeug" < lat. vehiculum "Fahrzeug"
  • Vokal < lat. vocalis "Vokal"
  • Sediment "Substanz, die sich am Boden absetzt" < lat. sedimentum "Bodensatz"

... und einige Tausende mehr.

 

Die lateinisch-griechischen Wortbildungsmuster und die Vokabeln des Lateinischen, die beide für die heutigen Fachsprachen hinzugezogen werden, erleichtern den Schülerinnen in späteren Studiengängen das Verständnis der Fachsprachen, wie z. B. in der Medizin, Pharmazie, Jura, in den Naturwissenschaften, Gesellschaftswissenschaften, den Philologien und der Philosophie.

Und natürlich fußen unzählige künstlerische Motive aus Bildhauerei und Malerei von Jahrtausenden, die in Galerien, Museen und bedeutenden Kirchen weltweit anzutreffen sind, ebenso wie die wesentlichen literarischen Genres auf dem mythologisch-literarisch-künstlerischen Schatz der griechisch-römischen Antike – ein bis heute genutztes Reservoir!

Die westeuropäischen Sprachen gehen großenteils auf das Lateinische zurück. Sogar der Wortschatz der germanischen Sprache Englisch hat zu über 50 % lateinische Wurzeln.

Latein ? ein Beitrag zur Konzentrationsfähigkeit und zum Aufbau einer fachübergreifenden Arbeitshaltung

Gerade in unserer heutigen, kurzlebigen Zeit, die von Bildern in schneller Abfolge, Ablenkungen aller Art sowie großer zeitlicher Enge in vielen Bereichen geprägt ist, kann Latein als eine Art Gegenpol der Ruhe verstanden werden, da es auf einen langfristigen Erwerb von Wissen und Aufbau von Kompetenzen abzielt. Die erworbenen Kenntnisse bauen aufeinander auf und müssen daher auch regelmäßig wiederholt werden. Daraus folgt, dass man besonders im Lateinunterricht die für alle Schulfächer wie auch das weitere Leben notwendige Arbeitshaltung erwirbt.
Der bei einigen Kindern heute erkennbare Mangel an Konzentration kann durch die intensive Beschäftigung mit Sprache in Form von Übersetzen – selbst wenn diese in der Schule häufig in Partnerarbeit vorgenommen wird – verbessert werden.
Wohl kein anderes Fach kann sein Augenmerk mit soviel Einsatz von Zeit und damit so intensiv und gezielt auf die richtige Wortwahl und inhaltlich stimmige Formulierungen richten, wie es dem Lateinischen beim und durch das Übersetzen gelingt.

Ansprechpartner

Für die Fachschaft Latein
Dr. Harald Winkelmeier